Saturday, February 1, 2014

Holo-Kitsch «Akte Grüninger»



Die Verkitschung der NS-Judenvernichtung ist mit der widerlichen Holocaust-Verleugnung eng verwandt. Die Verkitschung schafft durch Manipulationen und Verfälschungen von historischen Fakten einen fruchtbaren Nährboden für das völlige Negieren tatsächlicher schrecklicher Geschehnisse der Shoa.



Diese Kritik gilt auch dem neuen Film über den vermeintlichen Schweizer Judenretter Paul Grüninger. Mit seinen gepflegten und sorgfältig gewählten Bildern, schönen Requisiten und Kostümen nimmt der Schweizer Streifen wenig Rücksicht auf Tatsachen und erinnert an das teurere und noch ästhetischere Holocaust-Spektakel «Schindlers Liste». Hätte man ebenso viel Sorgfalt in die Faktenwiedergabe investiert wie in die visuelle Gestaltung des Films, so wäre ein wertvolles Werk entstanden.

Im Holokitsch-Genre wird mit durchsichtigen Mechanismen stark auf die Tränendrüse gedrückt und der Eindruck erweckt, das Gezeigte sei noch wahrer als die Wahrheit.
Der Film «Schindlers Liste» hat ziemlich wenig mit dem gleichnamigen Bestseller zu tun, welcher als Grundlage diente. Sogar dieses Buch, das lediglich auf Interviews basiert, wird von seinem Autor Thomas Keneally
vorsichtshalber nur als Roman bezeichnet.
In dessen Verfilmung gibt es u.a. eine wirkliche obszöne Szene: Wie in einer Peepshow äugt der Zuschauer durch ein Guckloch und sieht hübsche nackte jüdische Frauen in einem Massenduschraum. Aber anders als in den Vernichtungslagern strömt aus den Düsen nicht Gas, sondern – Wasser! Damit kokettiert der Regisseur Steven Spielberg fast mit Holocaust-Leugnerei.
Auch Stefan Keller, Grüninger-Biograph und historischer Berater des jüngsten Grüninger-Films, kam 1994 bezüglich dieses Hollywoodwerks zur gleichen Ansicht und besprach unter dem Einfluss meiner ex-Frau Sibylle und mir den Spielberg-Streifen kritisch, nachdem er bei dessen erster Visionierung vor lauter Aufregung, wie viele Kinobesucher, emotional sehr angesprochen und aufgewühlt war (s. Stefan Keller, Steven Spielberg als Subrealist - Perfektere Bilder aus dem Holocaust, WoZ, 11. März 1994).
Auch im Film «Akte Grüninger» überwiegen die fiktiven Anteile die Realität bei weitem. Die künstlerische Freiheit wurde hier arg strapaziert. Es werden darin Dinge erfunden, die nicht einmal im Buch Stefan Kellers vorkommen, dessen Werk übrigens, trotz seiner vielen verharmlosenden Interpretationen und Ausklammerungen, viel differenzierter in der Beschreibung Grüningers ist, als gemeinhin wahrgenommen wird. Grüninger wird im Film und auch in den meisten Besprechungen stark beschönigt und als Heiliger dargestellt (eine realistischere Beschreibung von Grüningers Beweggründen s. meine Publikationen).
Der Vater von Ex-Bundesrätin Ruth Dreifuss, Sidney, wird ebenfalls ausschliesslich als grosszügig, engagiert und edelmütig porträtiert. Dabei erwähnt sogar Keller die Kritik von Flüchtlingen an Dreifuss. So zitiert der WoZ-Journalist einen davon, zu welchem Dreifuss gesagt haben soll:
«Wenn sein Vater in Dachau sei, dann habe er es ja gut, dann habe er wenigstens ein Dach über dem Kopf.»  (Keller S. 95). – Man muss sich fragen, ob Dreifuss naiv, schlecht informiert über das KZ Dachau oder ob er ein Zyniker war.
Die Protokolle des jüdischen Dachverbands „Schweizerischer  Israelitischer Gemeindebund (SIG)“ vermitteln ein eindeutig negatives Bild von Dreifuss, der, wie weitere führende jüdische Funktionäre, eine sehr gespaltene Haltung gegenüber den jüdischen Asylanten pflegte. Dabei spielten sowohl Aversionen gegenüber Juden aus Ost-Europa (Ostjuden genannt) eine Rolle, wie auch gegenüber Armen.
Seine elitäre und rassistische Position widerspiegelt das  Sitzungsprotokoll des führenden SIG-Gremiums vom 18. Dezember 1938:
«Herr Sidney Dreifuss berichtet über die Verhältnisse im Kanton St. Gallen, wo die Polizei eher zu entgegenkommend war. So ist die Zahl der Flüchtlinge wieder erheblich gestiegen. Es kamen unerwünschte Elemente herein und alte Leute, deren Emigration fast unmöglich erscheint. Man ist in St. Gallen nicht der Meinung, dass die Grenze hermetisch zu schliessen sei, sondern möchte Verwandte, Kinder und um das Judentum verdiente Personen weiterhin aufnehmen. Die polizeiliche Sperre ist neuerdings verschärft worden. »
[fett markiert von mir –se]
Die im Film erhobenen Verratsvorwürfe gegen Grüningers SP-Vorgesetzten, Valentin Keel, aber auch die Behauptung einer vorherigen Freundschaft zwischen den beiden, waren bislang nirgends zu finden oder zu belegen. Diese Behauptungen müssen also unbedingt noch bewiesen werden.
Völlig ausgeklammert wird die aktenkundige Tatsache, dass Grüninger nach seiner Entlassung der illegalen SP-Flüchtlingshilfe enorm schadete, zu welcher Keel als „Befehlsempfänger“ gehörte. Grüningers Sabotage der SP-Judenrettungsversuche war also alles andere als anständig. Denn so benimmt sich kein Held, welchem es angeblich ganz wichtig gewesen wäre, den armen Flüchtlingen zu helfen. Wer an einer illegalen Aktion teilnimmt, muss damit rechnen aufzufliegen und sollte seine Mitstreiter nicht verraten. Dies tat Grüninger eindeutig, als er beispielsweise zusammen mit dem judeophoben, gegen Flüchtlinge eingestellten Schweizerischen Vaterländischen Verband (SVV) gegen Keel und die SP agierte. «Wenns mi butzt, butzts au de Keel,» zitiert ihn Keller. Und so handelte Grüninger denn auch.
Wäre Grüninger wirklich dermassen betroffen gewesen von den grausamen Schicksalen, wie dies der Film dem Publikum weismacht, so hätte er nach seiner Absetzung die Arbeit zugunsten bedrohter Juden sicherlich fortgesetzt und man hätte dies bestimmt erfahren. Bekannt ist jedoch, dass er seine ausgezeichneten Beziehungen zu SS-Offizieren nur für seinen guten Freund, den Schweizer Judeophoben und Nazi-Anhänger Mario Karrer, hatte spielen lassen wollen. Hätte Grüninger nach der Absetzung Gleiches verfolgten Juden angeboten, so wäre das spätestens heute bekannt.
Es ist beschämend, dass in einem Film, welcher durch SP-Exponenten  beeinflusst wurde, eine bessere und ausführlichere Beschreibung des wahren Judenretters, nämlich des damaligen SP- Zentralsekretärs und späteren Bundesrichters Werner Stocker, nicht stattfindet. Es gibt ja genug Beweise, dass Stocker die Hauptperson hinter Keel war, und er auch andere Aktivtäten zugunsten von jüdischen Flüchtlingen initiiert und selber daran teilgenommen hatte. Stocker und seine Kreise argumentierten überzeugend, dass sie Grüninger bestochen haben, damit er ihnen helfe. Dieser Vorwurf wird von einer unabhängigen Quelle noch bestätigt.
Es ist bezeichnend, dass im Film eine zu hohe Zahl von der Schweiz abgewiesener jüdischer Flüchtlinge wiedergegeben wird und der historische Berater Stefan Keller in einer TeleZüri-Diskussion (29. Januar 2014) auf dieser Statistik beharrt.
Eigentlich sollte Keller wissen, dass an einer Tagung der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte am 26. April 2013 in Bern sogar Bergier-Kommissions-Vertreter in diesem Zusammenhang teilweise Fehler zugaben und eine Rückzugsstrategie anschlugen.
Diese Zahlen-Debatte, die seit Jahren emotional geführt wird, ist ohnehin sehr seltsam. Denn praktisch niemand bestreitet, dass auch eine niedrigere Anzahl von Abgewiesenen einfach zu hoch ist. Nur, währenddem die Bergier-Historikerkommission und ihre Verteidiger behaupten, es gehe den Zahlen-Kritikern lediglich um die Verharmlosung der Rolle der offiziellen Schweiz während der NS-Zeit, muss sich dieses Untersuchungsorgan selber den Vorwurf gefallen lassen, alleine der Zahlensalat, den es produzierte, sei ein deutlicher Beweis dafür, dass es nicht mit der erwarteten Seriosität und Professionalität gearbeitet habe. Und der begründete Verdacht besteht, dass es mit aufgeblähter Statistik die Schweizer Schuld gar zu erhöhen versuchte.
Es ist sehr traurig, dass solche Propaganda-Filme produziert und weitgehend unkritisch in den Medien rezipiert werden. Kritische Stimmen werden entweder total verschwiegen und kaltgestellt oder desavouiert.

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