Thursday, May 17, 2012

Sepp Blatter, der Angstmacher


Als Recherchierjournalist, der seit mehr als zehn Jahren die Korruption bei der FIFA mit unterschiedlicher Intensität verfolgt, war ich natürlich auch auf das Gespräch zwischen Roger Schawinski und Sepp Blatter gespannt.


Es ist nicht so, dass irgendwelche grosse Enthüllungen zu erwarten gewesen wären, trotzdem war, da solche TV-Gespräche sehr selten sind und Schawinski in der Regel ein sehr bissiger und aggressiver Interviewer ist, mit einem richtigen Duell zu rechnen.
Diejenigen, die sich ein Feuerwerk erhofft hatten, wurden enttäuscht, denn der Moderator wirkte eher gehemmt und zum Teil auch ängstlich, wie man ihn nur in Interviews mit Personen wie z.B. Alice Schwarzer erlebte. Die Sache lief aber viel subtiler und mit viel Ironie ab, die an Blatter offensichtlich mehrheitlich vorbei ging.

So wiederholte Schawinski immer wieder das Statement, dass die FIFA-Exekutivkomitee voll mit korrupten Menschen ("Tüfeli") besetzt und nur Blatter ein "Engeli" sei. Das darf man ruhig ironisch verstehen, denn es kann und darf nicht ernst gemeint gewesen sein.
Es entsteht den Eindruck, dass es im Vorfeld zu diesem Gespräch eine schriftliche Abmachung gegeben haben könnte, in der festgelegt worden wurde, was und wie gefragt werden darf. Sonst ist die zentrale Szene in diesem Talk schwer zu verstehen. Schawinski fragte, ob bei der WM-Vergabe an Katar kein Korruptionsverdacht bestanden habe und ob die Sache untersucht werde. Blatters Reaktion auf diese eher harmlose Frage war unverhältnismässig harsch. Anstatt, wie sonst im Verlauf des Gespräches bei unangenehmen Fragen ein Ausweichmanöver einzuschalten, ging er hier voll auf Angriff. Mit einer gelungenen Finte konnte er den sonst so mutigen Schawinski völlig einschüchtern: Der FIFA-Boss drohte mit einer Klage.
Seine Drohgebärde scheint absolut hohl zu sein, und kennt man Blatter ein bisschen, weiss man, dass solche Angstmacherei-Versuche zu seinem Repertoire gehören.
Ich habe dies selber erlebt, als ich ihn an einer Pressekonferenz 2002 fragte, ob die FIFA nicht mindestens CHF 500 Mio. für geleistete Arbeit in die ISL-Konkursmasse einzahlen müsse. Blatter wusste ganz genau, dass meine Rechnung stimmt und fundiert ist und dass er keine Chance mit einer Klage gegen mich gehabt hätte. Trotzdem ging er in die Offensive, um mich und weitere anwesende Medienleute zu beeindrucken.
Diese Blatter-Taktik muss auch der mit allen Wassern gewaschene Schweizer Top-Journalist Schawinski kennen, und gleichwohl strahlte er Furcht und Angst aus.

Als sehr erfahrener Interviewer hätte er aber genau wissen müssen, dass Blatter an sich keinen Grund für eine Klage hat, es sei denn, dass die beiden irgendwelche Abmachungen getroffen hätten und eine solche Frage diese möglicherweise verletzt hätte.
So oder so stellt sich die Frage, warum Blatter so viel Jahre sein sehr zynisches Spiel auch vor laufender Kamera unbestraft durchziehen darf. Ist die Schweiz kein Rechtsstaat?

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